Österreich im Herbst 2006
Die Studie
Neokonservative und Neoliberale werden insbesondere in Deutschland nicht müde,
Österreich unter seiner "schwarz/blauen" und "schwarz-orangen"
Koalition der Jahre 2000 - 2006, die unlängst bei den Wahlurnen durch die
österreichische Bevölkerung einen herben Denkzettel erhielt, als Vorbild für
Deutschland darzustellen.
Mit
viel Akribie und Statistik zeigt Arno Tausch in seinem Beitrag, dass Österreich
nur bedingt einige Erfolge neo-liberaler Politik zu verzeichnen hatte, während
andererseits die Defizite im Politikmodell 2000 - 2006 deutlich wurden und
letztens zur Niederlage an den Wahlurnen führten.
Mit
dem Wahlergebnis vom 1. Oktober 2006 steht Österreich in gewisser Weise vor
einer Zäsur. Über die innenpolitischen Aspekte dieser Zäsur ist in den letzten
Tagen und Wochen sehr viel in Österreich und in Europa geschrieben worden;
wenig beachtet wurde hingegen, dass der Hinwendung zu mehr Markt und weniger
Staat auf innerösterreichischer Ebene seit dem Jahr 2000 auch einer
gesamteuropäischen Programmatik entsprach.
Der
europäischen Zäsur des Jahres 2000, als beim Europäischen Rat von Lissabon die
Regierungschefs der Union sich die Zielvorgabe gaben, Europa bis zum Jahr 2010
zur kompetitivsten, wissensbasierten Wirtschaftszone der Erde zu machen,
entspricht auf inner-österreichischer Ebene der Zäsur der 21. und 22.
Legislaturperiode, in der die Entscheidungsträger sich das Ziel setzten, durch
mehr Markt und weniger Staat zahlreiche der von ihnen diagnostizierten
Entwicklungsblockaden in Österreich zu überwinden. 2006, nach dem Ende der 22.
Legislaturperiode und bei mehr als der Halbzeit des Lissabon-Prozesses ist es
Zeit, Bilanz zu ziehen.
Die
Kommission präsentiert eine kurze Liste von 14 Indikatoren, die im
Statistikanhang zum Frühjahrsbericht 2006 dargestellt werden. Diese kurze Liste
wurde mit dem Rat abgestimmt. Sie ermöglicht eine gezieltere Präsentation und
einen besseren Überblick im Zeitverlauf über die im Hinblick auf die
Lissabonagenda erzielten Erfolge. Im Einklang mit der jüngsten Rationalisierung
von Verfahren im weiteren Zusammenhang der Lissaboner Strategie, ist es
vorgesehen, diese Liste für 3 Jahre stabil zu halten, beginnend mit 2004.
Die
Indikatoren, nach denen der Erfolg oder Misserfolg der Lissabon-Strategie in
Europa bewertet wird, lauten:
1.
BIP pro Kopf in KKS
2. Arbeitsproduktivität
3. Beschäftigungsquote
4. Beschäftigungsquote älterer
Erwerbstätiger
5. Höchster erreichter Bildungsgrad der
Jugendlichen (20-24)
6. Ausgaben für Forschung und Entwicklung
7. Vergleichende Preisniveaus
8. Unternehmensinvestitionen
9. Armutsgefährdungsquote
10. Langzeitarbeitslosenquote
11. Dispersion der regionalen
Beschäftigungsquote
12. Emissionen von Treibhausgasen
13. Energieintensität der Wirtschaft
14. Güterverkehrsvolumen
Der
Autor hat die vorhandenen Lissabon-Strukturindikator-Zeitreihen auf
Kontinuitäten und Diskontinuitäten hin überprüft und ist dabei der
grundlegenden Frage nachgegangen, ob es ab 2000 – dem Beginn der 21. Legislaturperiode – einen wirklichen „Paradigmenwechsel“
in der österreichischen Lissabon-Politik gegeben hat.
Der
Befund lautet wie folgt:
1)
die größten Erfolge der neo-liberalen Transformation in Österreich ab 2000 sind
im Bereich jugendliches Ausbildungsniveau, Beschäftigungsquote älterer
ArbeitnehmerINNen, sowie R&D Forschung und Entwicklungsausgaben zu
verzeichnen gewesen.
2)
die größten Defizite sind in folgenden Bereichen zu verzeichnen, wo sich
Österreich von den Lissabon-Zielen weg entwickelt hat:
• Treinhausgase
•
Armutsrisiko
•
Langzeitarbeitslosigkeit
•
Streuung der regionalen Arbeitslosigkeit
•
Energieintensität
•
Unternehmensinvestitionen
•
Gütertransport
3)
Bei Kern-Strukturindikatoren zeichnet sich folgende vergleichende Bilanz der
übrigen EU-25-Staaten und der Kandidatenstaaten ab, die mittels Zeitreihen und
den in ihnen zu Tage gekommenen Korrelationen der Lissabon-Indikatoren mit der
Zeitachse analysiert wurden:
a)
Zunahme der Beschäftigungsrate älterer ArbeitnehmerINNen
Best practice:
• Bulgarien
• Ungarn
• Kroatien
Worst practice:
• Polen
•
Rumänien
•
Türkei
b)
Reduktion des Armutsrisikos
Best
practice:
• Slowenien
•
Litauen
•
Vereinigtes Königreich
Worst
practice:
• Deutschland
•
Österreich
•
Belgien
3)
Der aufholenden Entwicklung Österreichs im Bereich Kaufkraft, im Rahmen derer
Einbußen um die Jahrtausendwende wettgemacht wurden, entsprach auch eine nach „oben“ gerichtete
Lissabon-Entwicklung im Bereich Beschäftigung, jugendlicher Ausbildungsstand,
Forschung und Entwicklung, Beschäftigung älterer Arbeitnehmer,
Unternehmensinvestitionen, weibliche Beschäftigungsquoten
4)
Die Staaten auf der Verlierer-Strasse (negative Zeitreihenkorrelation der
relativen Kaufkraft ab 2000) waren:
• Schweden
•
Deutschland
•
Niederlande
•
Frankreich
•
Portugal
•
Malta
•
Italien
5)
Die De-Komposition der Zeitreihen in die Periode 1990 – 2000 und 2000 – 2006 und die Anwendung einer
linearen Trendanalyse ergibt die wirklichen Strukturkontinuitäten und
Strukturbrüche, Erfolge und Misserfolge der österreichischen Lissabon-Politik
in diesem Zeitraum
a)
Kaufkraft -> Beschleunigung in die im Lissabon-Prozess gewünschte Richtung
b) Beschäftigungsrate - > kein
Paradigmenwechsel
c) Beschäftigungsrate älterer
ArbeitnehmerINNen - > kein Paradigmenwechsel, d)
Ausbildung der Jugend - > kein Paradigmenwechsel, Österreich im guten
Lissabon-Trend
e)
Forschung und Entwicklung - > kein Paradigmenwechsel, Österreich im guten
Lissabon-Trend
g) Langzeitarbeitslosigkeit -> kein
Paradigmenwechsel, beide Perioden bringen Verschlechterung
h) Armutsrisiko -> Paradigmenwechsel
und Abkehr von den Lissabon-Zielen
i) Umweltdaten - > bedauerliche
Trendfortsetzung, teils sogar Verschlechterung der Lissabon-Leistungen
Österreichs (vgl. nicht-lineare Trendanalyse 1990 – 2006)
Aufgaben
für jedwede neue österreichische Bundesregierung
Die
Analyse der sich aus den Lissabon-Ergebnissen ablesbaren „Hausaufgaben“ für eine neue
österreichische Bundesregierung wären in der Logik des Lissabon-Prozesses:
• die
Treinhausgase reduzieren
•
das Armutsrisiko vermindern
•
die Langzeitarbeitslosigkeit bekämpfen
•
die Streuung der regionalen Arbeitslosigkeit reduzieren
•
die Energieintensität reduzieren
•
die Unternehmensinvestitionen erhöhen
•
den Gütertransport reduzieren
Österreich
gehörte sicherlich nicht zu den Staaten, die eine – im Vergleich mit dem EU-25-Schnitt
– sinkende Kaufkraft aufzuweisen hatte. Der aufholenden Entwicklung im
Bereich Kaufkraft, im Rahmen derer Einbußen um die Jahrtausendwende wettgemacht
wurden, entsprach auch eine nach „oben“
gerichtete Lissabon-Entwicklung im Bereich Beschäftigung, jugendlicher
Ausbildungsstand, Forschung und Entwicklung, Beschäftigung älterer
Arbeitnehmer, Unternehmensinvestitionen, weibliche Beschäftigungsquoten.
Österreich sollte in der Stunde der Neubesinnung über ein notwendiges neues
Modell auch nach jenseits der Grenzen blicken, wo es eindeutig ist, wer die
Staaten sind, auf der europäischen Verlierer-Strasse (negative
Zeitreihenkorrelation der relativen Kaufkraft ab 2000) waren:
• Schweden
•
Deutschland
•
Niederlande
•
Frankreich
•
Portugal
•
Malta
•
Italien
Die „Schattenseiten“ des
österreichischen Modells ab 2000 waren aus der Warte dieser empirischen Analyse
sicherlich die steigende Langzeitarbeitslosigkeit, das steigende Armutsrisiko,
die wachsende regionale Ungleichheit in der Beschäftigung, die steigenden
Emissionen von Treibhausgasen, eine letztlich nicht sinkende Energieintensität,
und die Frachttransport- und Transitlawine.
Sine
ira et studio können aus der Sicht dieses Artikels die Verhandlungsteams
Prioritäten für den Wandel setzen, auf die Kontinuitäten des bereits Erreichten
bauen, bzw. eine Rückbesinnung auf die spezifisch österreichischen
langfristigen Konstanten unseres Entwicklungsmodells, die den Strukturbruch des
Jahres 2000 überdauerten, durchführen.
Prioritäten
für einen Wandel bestehen zweifelsohne bei:
• Langzeitarbeitslosigkeit
-> kein Paradigmenwechsel, beide Perioden bringen leider Verschlechterung
•
Armutsrisiko -> Paradigmenwechsel und Abkehr von den Lissabon-Zielen
•
Umweltdaten - > bedauerliche Trendfortsetzung, teils sogar
Verschlechterung der Lissabon-Leistungen Österreichs ab 2000 (vgl.
nicht-lineare Trendanalyse 1990 – 2006)
Kontinuitäten
des bereits Erreichten bestehen bei:
a)
Kaufkraft -> Beschleunigung in die im Lissabon-Prozess gewünschte Richtung
Langfristige
Konstanten –
unabhängig von der Wende des Jahres 2000
– die es zu nutzen gilt, bestehen bei:
b)
Ausbildung der Jugend - > kein Paradigmenwechsel, Österreich im guten
Lissabon-Trend
c) Forschung und Entwicklung - > kein
Paradigmenwechsel, Österreich im guten Lissabon-Trend
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